Canto General in Oldenburg 2016

19.11.2016

Der Verein „Kantorka“ bescherte knapp 1000 Konzertbesuchern ein großartiges Klangerlebnis. Das Freiheitsopus „Canto General“ ist von ergreifender Aktualität.

OLDENBURG Tief beeindruckt lassen knapp 1000 Zuhörer am Samstagabend in der Kongresshalle den Schlussakkord des Oratoriums „Canto General“ verklingen, dann brandet stürmischer Beifall auf. Während das Publikum stehend und mit Bravo-Rufen applaudiert, fallen sich auf der Bühne die Hauptprotagonisten in die Arme. Dirigent Robert Brüll drückt Solo-Sängerin Annekatrin Kupke an sich, Kupke wiederum herzt Bariton Arturo Marin. Zusammen mit Sprecher Jarno Stiddien bedanken sie sich beim 120-kehligen Projektchor des seit Januar bestehenden Vereins „Kantorka“ und dem 16-köpfigen Orchester. Sie haben gemeinsam mit der Aufführung von Mikis Theodorakis’ Monumentalwerk, in dem der griechische Komponist die Verse des chilenischen Literaturnobelpreisträgers Pablo Neruda vertont hat, den Konzertbesuchern ein großartiges Klangerlebnis beschert.

Appell für Toleranz

Im „Canto General“ setzt Theodorakis den Freiheitswillen der südamerikanischen Völker in Beziehung zum Kampf gegen die Militärdiktatur in seiner griechischen Heimat. Das Oratorium ist auch nach der Rückkehr zur Demokratie ein Symbol des weltweiten Kampfes um die Würde und Rechte des Menschen geblieben. Stadtratsmitglied Nicole Piechotta erinnert daran in ihrer Begrüßungsansprache. Auch Chiles Botschafter Patricio Pradel Elgueta wertet in seinem Grußwort das Werk als „dringenden Appell für Toleranz und Frieden“, das „von ergreifender, ja erschütternder Aktualität“ sei.

Imposanter Klangblock

Große Worte, denen der eigens für diese Aufführung von Initiatorin Annekatrin Kupke ins Leben gerufene Projektchor gerecht wird. 18 Tenor-, 21 Bass-, 45 Alt- und 35 Sopranstimmen bilden einen imposanten Klangblock, der die monumentale Botschaft des Werkes unterstreicht. Mal anrührend, mal kämpferisch: So erreicht das in spanischer Originalsprache gesungene Opus die Zuhörer-Herzen. Robert Brüll organisiert die Klangmassen zuverlässig, er reagiert zugleich einfühlsam auf die individuelle Interpretation seiner Solisten, deren Parts von Theodorakis in den Chorklang eingebunden sind. Barion Arturo Martin beeindruckt mit mächtiger Stimmpräsenz. Mezzosopranistin Annekatrin Kupke singt ebenso leidenschaftlich wie makellos. Dass sie bis zuletzt als „Kantorka“-Vorsitzende organisatorisch gefordert war, merkt man ihr auf der Bühne nicht an. Nur ihr glückseliger Gesichtsausdruck spricht Bände: Sie ist stolz auf das, was seit Pfingsten im Projektchor erarbeitet wurde. „Ich bin mehr als zufrieden mit der Premiere, der Abend war ein großer Erfolg für uns“, bilanziert sie.

Texte rezitiert

Um die Aufmerksamkeit für Nerudas Texte zu vertiefen, werden sie zwischen den Teilen von Schauspieler Jarno Stiddien rezitiert – Gedichte über Flora und Fauna Südamerikas, vom Kampf um die Freiheit, vom Baum, der zum Symbol für die befreiende Kraft des Volkes wird.

Das Oratorium geizt nicht mit Klangeffekten: Die sechsköpfige Percussiongruppe um Axel Fries sorgt für treibende Rhythmen. Dass mit Jannis Zotos ein Bouzouki-Spieler engagiert wurde, der schon mit Theodorakis gespielt hat, erweist sich als Bereicherung. Ein Höhepunkt ist gleich nach der Pause „La United Fruit Co.“: Der vordergründig Volksfest-Stimmung vermittelnde, beschwingte Gesang schildert die Ausbeutung des südamerikanischen Kontinents durch die internationalen Handelsgesellschaften. Im feierlich-vielstimmigen Mittelteil kommt es zu einem herzzerreißenden Gegensatz von Klang und Inhalt.

Am Ende verlassen die Konzertbesucher beschwingt die Kongresshalle. Selbst jene, die der spanischen Sprache nicht mächtig sind, haben die letzten Zeilen des Abschlussliedes „America insurrecta“ (Aufständisches Amerika) noch auf den Lippen.

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